Fhrungskrfte, die den Nebenjob einer Projektleitung haben, erleben dies selten als Karrierebooster, eher als Karrierekiller. Klassisches Projektmanagement gilt als zu steif und brokratisch, agiles Projektmanagement als zu offen und vulnerabel. Beide Anstze, hier karikierend berspitzt dargestellt, bieten jeweils wertvolle Konzepte und Methoden. Noch besser ist es, von beiden das Erfolgversprechende zu nehmen: hybrides Projektmanagement.

Hybrides Projektmanagement

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Die Projektpraxis ist desastrs. Nur 0,5 Prozent der Vorhaben liefern on target, on time, on budget, wie die mit inzwischen ber 16.000 Projekten weltweit grte Datenbank belegt. Die Erfolgsquote von IT-Projekten (und damit fr die berall gestarteten AI-Projekte) ist noch geringer. Bekannte Beispiele fr Flops hierzulande: Cariad als Software Powerhouse der Volkswagen Group, die zweite Stammstrecke der S-Bahn Mnchen, die digitale Patientenakte. Die Leserinnen und Leser erinnern bestimmt hnliche Vorhaben aus ihrer Organisation.

Hybrides Projektmanagement kombiniert bewhrte klassische Konzepte mit frischen agilen Methoden. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Projekte ihre Ziele erreichen, Termine und Budgets eingehalten werden und das Team ergebnisorientiert arbeitet. Schluss mit der Erfahrung, zwischen starren Planungen und vagen Freiheiten zerrieben zu werden! Davon profitiert auch jede Fhrungskraft mit Projektverantwortung, sowohl im organisatorischen Output als auch beim eigenen emotionalen Input.

Einst klassisches, dann agiles, heute hybrides Projektmanagement

Projekte wollen deutlich mehr, als im organisatorischen Alltag geleistet werden kann. Projekte haben eine klare Zielsetzung, eine feste Zeitplanung und eine bindende Kostenaufstellung. Projekte bekommen ein Go, wenn ihr Business Case positiv ist, also der Nutzen berwiegt. So steht es, vereinfacht dargestellt, in den Lehrbchern zum klassischen Projektmanagement. Was zu einem sorgfltig geplanten und engmaschig berprften Vorgehen fhrt, ber das ein Project Management Office (PMO) als Controllinginstanz wacht. Was aber hchst selten, siehe oben, alle versprochenen Ergebnisse liefert. Selbst wenn fast jedes Vorhaben nach innen und auen als Erfolg vermarktet wird.

Etwa um die Jahrtausendwende kam die Frage auf: Wie ginge es besser? Das Buzzword agil wurde zur berschrift fr die Antwort. Es entwickelte sich ein riesiger Markt und eine mchtige Szene. Noch bis vor kurzem durfte, ebenfalls pauschal beschrieben, kein Projekt mehr starten, das sich nicht mit dem innovativ wirkenden Label schmckte, um zu zeigen, dass man sich von der lhmenden Belastung eines pedantischen und formalistischen PMO befreien konnte. Doch mittlerweile sind auch die Nachteile allzu groer Freiheit, Offenheit und Unverbindlichkeit deutlich geworden. Zumindest wurde die Agilität von der Praxis zunehmend derart bersetzt. Erinnern wir uns an das zweite Prinzip des Agilen Manifests (2001): Heien Sie nderungen der Anforderungen auch noch spt in der Entwicklung willkommen. Dies fhrt bei jedem Vorhaben zu pathologischen Strungen. Wie kann man, wenn alles stndig im Fluss ist und ergebnisoffen bleibt, on target, on time, on budget abliefern? Es sei denn, man betrachtet Projekte als serielle Aktionen mit stndigen Sprints, laufendem Scrum und tglichen Stand-ups  aber ohne festes Ziel, ohne klares Ende und ohne knappes Geld. Was keine Organisation gutheien kann, weil sie wider jeglicher Agilitt letztlich ein administratives und reglementiertes System bleibt.

Lngst ist der Hype um Agilitt, der in den 2010er-Jahren bis zur Pandemie seine Hochphase hatte: pass. Es gibt eine bis heute anhaltende Ernchterung, da die meisten Unternehmen gemerkt und erlitten haben, dass agile Methoden erstens nicht einfach zu implementieren sind und zweitens nur im spezifischen Kontext und Setting funktionieren. Was auch an der simplifizierten und undifferenzierten Anwendung agiler Prinzipien und Methoden liegt. Gleichwohl bleibt Agilitt ein wichtiges Grundprinzip im Projektmanagement. Daher geht es inzwischen darum, die Strken des klassischen und agilen Projektmanagements durch ein hybrides Vorgehen zu verknpfen. Dies ist ohnehin stets empfehlenswert: Nicht unreflektiert jeder Mode zu folgen, die ohnehin meist nur der extreme Pol eines Spannungsfelds ist, hier zwischen klassischem und agilem Projektmanagement.

Hybrides Projektmanagement: Drei Empfehlungen

Basierend auf aktuellen Lesetipps und deren evidenzbasierten Erkenntnissen sowie eigenen Erfahrungen mit Tops und Flops bei Beratungsprojekten mchte ich drei Kernelemente des hybriden Projektmanagements skizzieren.

(1) Den Weg vom Ziel her denken und den Kurs immer wieder prfen

Durchaus pointiert ausgedrckt: Manche klassisch gemanagten Projekte halten an ihren anfangs gesetzten Aktivitten fest, egal was zwischenzeitlich passiert. Und einige agil gestalteten Projekte haben nur eine grobe Idee, legen einfach los, um unterwegs zu entdecken, was am Ende herauskommen knnte; im Sinne eines suchenden Findungsprozesses (z.B. Minimal Viable Product). Um den ineffektiven Mustern tendenziell berplanter klassischer bzw. ungerichteter agiler Anstze entgegenzuwirken, setzt hybrides Projektmanagement in Anlehnung an den unlngst verstorbenen Nobelpreistrger Daniel Kahneman auf das Prinzip langsam denken und schnell handeln. Also zu Projektbeginn  tendenziell klassisch  vorzuplanen und dann im Projektverlauf  tendenziell agil  vorzugehen.

Wobei, das ist erfolgskritisch, bei der Planung nach dem eigentlichen Warum und damit nach dem wirklichen Ziel gefragt werden muss. Konkret als Beispiel: Ziel ist nicht eine neue Fabrik in Bulgarien, sondern die kostengnstigere Produktion unter Bercksichtigung u.a. von Customer Relations und Customs Conditions. Da sich beides wie derzeit pltzlich ndern kann, muss die Projektarbeit immer wieder auf das letztendliche Warum ausgerichtet und eventuell umgelenkt werden. Flyvbjerg nennt dies von rechts nach links denken, also nicht sklavisch dem einmal festgelegten Projektschema folgen, wie es traditionell von links nach rechts mittels Flowcharts bis ins kleine Detailschritte geplant wird. Sobald ein Projekt in den VUCA-Wirbel unserer Zeit gert, sich also die Umstnde ndern, die Welt im Vergleich zum Projektstart womglich auf dem Kopf steht, das Projektziel (Warum?) aber weiterhin mageblich ist, muss der Weg vom Ziel her neu aufgesetzt werden. Mit dem Triple-Schritt: Innehalten  berdenken  Neuausrichten. Um im Beispiel zu bleiben, womglich auf den Standort in Sdosteuropa zu verzichten und zeitgemere Manahmen zur Senkung von Produktionskosten zu ergreifen. Erinnert sei hier an die Idee der Sunk Costs und damit an Zahlungen, die bereits entstanden sind und nicht mehr zurckgeholt werden knnen, egal, ob und wie das Projekt fortgesetzt wird oder nicht. Diese aufgelaufenen Kosten, so schmerzlich sie auch sein mgen, drfen bei gegenwrtigen Projektentscheidungen keine Rolle spielen.

(2) Ein Letztverantwortlicher mit Fhrungsstrke und mit Selbstreflexion

Die Organisationsformate grerer Unternehmen sind meist komplex, etwa als zwei- oder gar dreidimensionale Matrix. Wenn alle mitmischen, gerade bei Projekten, weil sie betroffen sind und beteiligt werden wollen, verschwimmt die Verantwortung fr on target, on time, on budget. Es entsteht das, was man organisierte Verantwortungslosigkeit nennt. Jeder beansprucht die Erfolge fr sich, niemand steht fr die Probleme gerade. Hybrides Projektmanagement braucht, um mit Flyvbjerg zu sprechen, einen Baumeister, der final entscheidet, damit die Verantwortung im wahrsten Sinne des Wortes trgt und letztlich ins eigene Risiko geht, als potenziell Schuldiger. Natrlich besser noch als Profiteur im Erfolgsfall. Diese Baumeisterin ist eine (einzelne) Person und kein Gremium. Die Begriffe Lenkungsausschuss und Steuerkreis verhehlen nmlich, dass bei jedem Fahrzeug nur eine Person das Steuer lenkt. Erfolgreiche Projekte tendieren statt zu allseits justierten Abstimmungen deutlich zu dirigierenden (nicht diktatorischen!) Beschlssen. Gerade angesichts zunehmender partizipativer Erwartungen in Projekten sollte man nicht vergessen, dass der Begriff Fhrungskraft aus zwei Signalen besteht: Fhrung und Kraft. Das Profil dieses fhrungskrftigen Baumeisters hat zwei Mindestanforderungen: groe Erfahrung und eine gute Erfolgsbilanz, beides im Themenbereich des Projekts. Baumeister, also die personelle Komponente des hybriden Projektmanagements, sind weder Rookies noch Loser. Und ganz klar: Sie setzen auf ein starkes Team und eine kollaborative Arbeitsweise  vor der Entscheidung. Denn kein Projekt ist eine One-Person-Show oder dient als Ego-Booster.

(3) Hybrides Projektmanagement achtet auf die Schattenseiten der Vernderung

Projekte neigen verstndlicherweise dazu, viele ihrer Schwierigkeiten zu berspielen. Sie behaupten in Basta-Manier: Aus alt und mies wird neu und toll. Klassisches Projektmanagement ist tendenziell problembewusster, was sich in Anstzen wie Risk Mitigation, Stakeholder und Change zeigt. Agiles Projektmanagement hingegen zeigt, besonders wenn es unreif erfolgt, eine naive und optimistische Sicht auf Widerstnde. Von diesen gibt es viele, zwei derzeit besonders heie seien genannt.

Erstens das Spreizungsdilemma: Wenn das Projekt, mit welchen Argumenten auch immer, bestimmte Akteure auf den Schild hochhebt und mit Labels wie Top Player oder Key Person versieht, entsteht eine sichtbare Elite. Sie organisationsintern zu verschweigen, gelingt allenfalls fr kurze Zeit. Was bei vielen anderen, die sich ebenfalls besser als normal oder einfach nur okay fhlen, ein unangenehmes Gefhl bis hin zu Neid und Missgunst auslst (relative Deprivation). Dies gilt umso mehr, wenn das Projekt grundlegende ngste erzeugt. Es fehle an Respekt, Verstndnis und Wertschtzung. Faire Lsungen sind bestenfalls diffizil und delikat. Die Schere zwischen den einen, die gepmpert werden, und den anderen, die keine Goodies erhalten, ist kaum mittels besserem Leadership zu schlieen. Und der Spagat zwischen den Verwhnten und den bersehenen erfordert mehr als eine kommunikativ geschickte Gymnastik. Wie aber dann? Es gibt Herausforderungen, die man nicht lsen kann, die man aber kennen sollte, um die Ergebnisse von Projekten nicht allzu offensichtlich einseitig werden zu lassen. Hybrides Projektmanagement ist eine stndige Gratwanderung zwischen zu viel fr wenige und zu wenig fr viele.

Zweitens das Verlustmanagement: Der Fortschritt ist inzwischen nicht mehr das, was er einmal war. Das wirkmchtigste Narrativ von Projekten, die schne und allenfalls kurz unterbrochene Aufwrtsentwicklung, hat miese und fiese Gegenspieler: zig Verluste. Denn jedes Projekt bedeutet  oft fr viele  den Abschied von Wichtigem und Gewohntem. Die Verantwortlichen knnen nicht mehr nur eine bessere Zukunft verheien. Sie mssen Entspannungen anbieten, denn Menschen verkrampfen bei Verlusten. Sie werden (objektiv) zu Verlierern oder sehen sich (subjektiv) als solche. Und der Fortschritt der einen ist nicht der Fortschritt von anderen, oft sogar deren: Verlust! Der inspirierende Tipp, den uns John Kotter einst gab  creating a vision  hilft wegen der Grben, Smpfe, Lcher unterwegs nur bedingt: Problem! Wenn die Projektleitung dennoch drckt und drngt, zum Schneren (hin zu), dann geht manches fr manche und oft vieles fr viele verloren (weg von), was einen hohen Wert hat, manchmal sogar die bisherige Identitt. Wenn etwas verlustig geht, ist das nicht immer lustig: Widerstand! Verlustmanagement ist zum zentralen Erfolgsfaktor geworden. Hybrides Projektmanagement ist sich dessen bewusst und sucht bestndig nach Entkrampfungen.

Fazit

Hybrides Projektmanagement ist ein synthetisierender Ansatz, der es Fhrungskrften und Projektleitungen ermglicht, die Komplexitt und das Komplizierte heutiger Projekte erfolgreich zu bewltigen. Durch die Kombination der Strken klassischer und agiler Methoden entsteht ein pragmatischer Rahmen, der sowohl Struktur und Planbarkeit als auch Flexibilitt und Anpassungsfhigkeit vereint. Die konsequente Anwendung der genannten Kernprinzipien wird dazu beitragen, die Erfolgsquote von Projekten signifikant zu erhhen.

Flyvbjerg, B. mit Gardner, D. (2024): How Big Things Get Done: Wie Projekte gelingen. Droemer

Timinger, H. (2024): Modernes Projektmanagement: Mit traditionellem, agilem und hybridem Vorgehen zum Erfolg (2. Auflage). Wiley

Claen, M. (2019): Spannungsfelder im Change Management: Vernderungen situativ gestalten. Handelsblatt Fachmedien

Reckwitz, A. (2024): Verlust: Ein Grundproblem der Moderne. Suhrkamp